Die Entstehungsgeschichte

Am 10. November 1843 wurde in Friedrichshafen der evangelische Wohltätigkeitsverein gegründet.

Die Einleitung zum Protokollbuch für den evangelischen Wohltätigkeits-Verein in der Parochie Friedrichshafen von 1844 markiert den Beginn einer überaus vielfältigen, erfolgreichen und nachhaltigen Wirksamkeit in sozialen Belangen für Stadt und Umland.

„Bey der eigenthümlichen Beschaffenheit der evangelischen Parochie Friedrichshafen, welche in ihrem weiten Umkreis so viele Mitglieder in sich schließt, die in ihr nicht bürgerlich sind und deshalb keine Ansprüche auf den Genuss der öffentlich wohltätigen Stiftungen haben, wurde besonders durch Erfahrung der letzten Jahre das Bedürfnis einer geornneten und zweckmäßigen Unterstützung ihrer Armen und Bedrängten mehr und mehr fühlbar. In derselben Versammlung der hiesigen evangelischen Gemeindemitglieder am 10.ten Nov. 1843, in welcher man eine ehrfurchtsvolle Bitte an die Gnade seiner Majestät des Königs um Errichtung eines definitives Pfarramtes zu richten beschloss, wurde daher auch die Idee zu einem solchen Verein angeregt, durch welchen der bisher schon allezeit rege Wohltätigkeit Sinn der Einzelnen ein gemeinsames Organ erhalten […] sollte. […]
Mit allgemeiner Zustimmung wurde damals die Gründung dieses Vereins beschlossen, […] und es traten demselben – vielleicht das einzigeBeispiel im Lande – sämtliche Genossen unserer hiesigen Gemeinde als Mitglieder bey […].“

Die Aufgaben änderten sich als im April 1885 in Friedrichshafen die Statuten für eine krankenpflegeversicherung für Arbeiter, Gesellen und Dienstboten herausgegeben wurde. Ab 10.12.1888 lautete der name „Ev. Krankenpflege- und Wohltätigkeitsverein. In den Statuten von 1898 ist als Vereinsziel festgelegt:

„unbemittelte und augenblicklich bedrängte Glieder der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Friedrichshafen- Langenargen-Obertheuringen mit vereinten Kräften auf zweckmäßige Weise zu unterstützen, überhaupt aber dem Wohltätigeitssinn der einzelnenmein angemessenes Organ zu leihen, wodurch er in seinen mannigfachen Äußerungen geleitet und ebenso der Zersplitterung der milden Gaben als dem Missbrauch vorgebeugt werden soll.“
Als Adressaten der Hilfe wurden ursprünglich genannt: „nicht bloß die notorisch ganz Unbemittelten, sondern auch verschämte Hausarme und in augenblicklicher Bedrängnis sich befindende Personen“; sie sollten Unterstützung erhalten in Form von Geld, Naturalien, „Anschaffung von Kleidern, Holz usw.“, … „teils durch persönliche Handreichung, wie durch Nachweis von Arbeitsgelegenheit und in besonders dringenden Fällen und nach Stand der Kasse durch Notanleihen bis zur Höhemvon fünfzig Mark gegen gute Sicherheit gewährt.“

Der Wohltätigkeitsverein trug ab dem 10.7.1933 den neuen Namen „Evangelischer Krankenpflegeverein“, der dem Schwerpunkt der Vereinsaktivitäten auf der Krankenpflege Rechnung trägt. Zum fünfzigjährigen Jubiläum im Jahre 1938 des Vereins wird bilanziert:

„Vom 1. April 1937 bis 31. März 1938 wurden 325 Kranke gepflegt in 261 Tagespflegen, 325 Nachtwachen und 6309 Pflegebesuchen, 142 Nachtwachen und 6837 Pflegebesuchen.“

1979 wurde die Evangelische Diakoniestation gegründet, in der alle Dienste an alten und kranken Menschen zusammengefasst wurden. Mit dieser Entstehung wurde der Wohltätigkeitsverein aufgelöst und in einen Förderverein für die Diakoniestatin umgewandelt.

Nachdem die Finanzierung der Pflichtleistungen in der Krankenpflege mit der Einführung der Pflegeversicherung 1995 über die Versicherungsleistungen geregelt war, veränderte sich die Situation der klassischen Krankenpflegevereine. Als Reaktion darauf wurde am 13. März 2001 der „Evang. Wohltätigkeitsverein Friedrichshafen“ unter Pfarrer Joachim Krüger neu gegründet – ein Name in historischer Anlehnung an den Wohltätigkeitsverein der ersten Tage und damit auch Bezug nehmend auf den ehemals weitgespannten Aufgabenbereich. Anliegen des Evang. Wohltätigkeitsvereins ist seitdem die Unterstützung der gesellschaftlich wachsenden pflegerischen und diakonischen Arbeit jenseits der – nicht selten äußerst knapp bemessenen – Pflegesätze: Vereinsziel ist, so heißt es in der aktuellen Satzung aus dem Jahre 2001, die „Förderung und Unterstützung des Dienstes an kranken und plegebedürftigen Menschen, wie er durch die Ev. Diakoniestation wahrgenommen wird“ (im Bereich Friedrichshafen, Ailingen und Manzell). Und darüber hinaus: „Er ist offen für die Förderung weiterer diakonischer Dienste im Einzugsbereich“ (§2.1). Neben der Unterstützung der Diakoniestation hat sich der Verein in den vergangenen Jahren u.a. engagiert in der Unterstützung von bedürftigen Einzelpersonen, der Friedrichshafener Tafel e.V. sowie bei der Gründung der Teestube 2005 u.v.m.

Quellenangabe:

Auszüge aus dem Buch „200 Jahre Evangelische in Friedrichshafen“ erschienen 2012.

 

Ab Seite 243:„Aktivitäten zur Wohltätigkeit in der Parochie Friedrichshafen von den 1840er Jahren bis zum Ersten Weltkrieg“
DR. HARTMUT SEMMLER
Ab Seite 264:„Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert“, Friedrichshafener diakonische Fundstücke
PAMELA BARKE